Universität Graz

Gewächshäuser Botanischer Garten

1982-95
1982 Wettbewerb 1.Preis

"Die Geschichte des Glashauses ist eine Geschichte der Dialektik von konstruktivem Risiko, räumlicher Erfindung und inszeniertem Umgang mit Natur, Abbild einer kulturellen Synthese der Interessen der Forschung, des Schauens, der Lust am Exotischen und dem Reiz der Vielfalt natürlicher und künstlicher Formen.

Die Netzwerke artifiziellen Bauens, die filigranen Gespinste, scheinen in ihrer Umschreibung von Raum, mit dem Oszillieren der Begrenzungen, dem Changieren der Oberflächen, den Schichtungen, Überlagerungen, Tiefenwirkungen und ihren ständigen Veränderungen durch die Bewegung des Betrachters mit den Pflanzen selbst zu konkurrieren, die vielleicht mit ihren Strukturen, ihren Farben und Düften, diesen Sinnesrausch erweckt haben.

Giencke wählt für das konstruktive Gerüst den Parabelbogen, der bekanntlich als Kettenlinie die größte Annäherung an eine natürliche statische Form darstellt. Aus Gründen der Bauökonomie wird bei allen drei Häusern - mit Ausnahme einer Fragmentierung entlang der Straße - der gleiche Bogen als Element verwendet. Der Unterschied zwischen dem Tropen- oder Warmhaus, dem Kalthaus und dem Temperierthaus liegt also in den Schnitten der sich daraus ergebenden Parabel-Zylinder und ihrer damit verbundenen Lage - Neigung - zum Boden. Diese Volumen hängen wiederum von den Pflanzengrößen ab, d.h. sie unterliegen ganz konkreten funktionalen Bindungen. Durch die konzentrische Durchdringung oder tangentiale Berührung der Volumen entsteht eine absolut neue, faszinierende Raumsituation, die jedoch genau genommen auf einer strengen Geometrie und der "semimaterialen" Erscheinung der Aluminiumkonstruktion beruht.

Da die Bogen-Rohrkonstruktion gleichzeitig wasserführend, also als Heizung ausgebildet ist, entsteht ein "natürlicher" Konflikt zwischen der Leistung als Konstruktion und als Gerät. Die architektonisch konzipierte größere Distanz der Rohre ist der amtlichen Bauabwicklung zum Opfer gefallen, so dass der Betrachter mit den visuellen Grenzen der Hochtechnologie allein gelassen wird. Zum Trost des Architekten kann man aber feststellen, dass es sich hier, unter den neuen Bedingungen der Materialien Aluminium und Acrylglas, auch um ein Neuland für die Sehgewohnheiten handeln muss, kurz, die großen Flächen, die Tendenz zur visuellen "Verflüchtigung" des Aluminiums, verlangen nach einer gewissen optischen Resistenz des Gerüstes. Neue Gewächshäuser sind Stätten der Forschung und der sinnlichen Anschauung, der rationalen Begegnung mit der Natur oder der arglosen Perzeption ihrer selektiven Schönheit, die auch in einem modernen Glashaus nicht nur der Kunst begegnet, sondern in sie überführt wird."

Friedrich Achleitner