Seckau, Steiermark

Abtei Seckau

-2003

Das um 1140 am Fuße der Seckauer Alpen in fast 1000 m Seehöhe gegründete Kloster ist durch seine Basilika ein Juwel der romanischen Baukunst. Es ist ein zeit- und stilgeschichtliches Zeugnis durch mehr als achthundert Jahre. Der Aufhebung des Klosters durch Kaiser Joseph II. folgte 1883 seine Neugründung durch Benediktinermönche. 1926 kam das Stiftsgymnasium mit angeschlossenem Internat dazu. Bevor Volker Giencke 1988 den Wettbewerb für die zeitgemäße Adaptierung der Abtei und des Abteigymnasiums gewann, hatte er Anfang der 80er Jahre in Graz einen Altbau zu einem Seminar- und Tagungsraum für Architekten und ein Abbruchhaus zu einem Studentenheim umgebaut. Es waren die ersten international bedeutsamen Beispiele für "Neues Bauen in alter Umgebung", die die sogenannte Grazer Architekturschule vorweisen konnte.

Da kaum Geld zum Bauen vorhanden war, entwickelte Giencke zuerst ein langfristiges Konzept, das die Adaptierung der baulichen Substanz des Klosters an neue Funktionen ebenso vorsah wie den teilweisen Abbruch und Neubau. "Es geht darum, radikal im Denken zu sein, das heißt, an den Wurzeln zu beginnen, zurückzugreifen auf die ursprüngliche bauliche Struktur des Klosters und darauf aufbauend Neues zu schaffen.
"Klosterarchitektur war nie vordergründig billig, sondern immer einfallsreich. Wir müssen also drei Schritte nach vorne gehen, um im Ernstfall zwei Schritte zurück machen zu können. Das heißt, wir sind gezwungen, der Realität mit einer Vision zu begegnen. Ich glaube, daß Klöster nie anders gebaut wurden."
Volker Giencke

Der Nordtrakt wurde teilweise abgebrochen und neu aufgebaut, wobei das denkmalgeschützte Äußere kaum verändert, substanziell aber neues Material verwendet wurde. Im Osten wurde ein Stiegenhaus angefügt, das zugleich den Abschluß des Nordtraktes neu definiert und die Verbindung zum neu gebauten Turnsaal herstellt. Dieser, unter ein bestehendes Schuppendach gestellte Neubau, steckt voller Erfindungen. Seine Isolierglasfassade stellt ohne sichtbare Tragkonstruktion die physikalische Trennung zwischen Innen und Außen her. Im sogenannten Zwinger vor der Westfassade "schwebt" ein Glasdach über dem Eingang zur Schule, eine seilverspannte Konstruktion, die sogar dem Gewicht von Dachlawinen widersteht. Der Klosterhof mit dem Zugang zur Basilika ist in Stufen und Podesten betoniert. Fast südländisches Flair ist es, dem man hier begegnet. Das kulturelle Programm des Klosters wird durch alljährlich stattfindende Kulturwochen und Ausstellungen ergänzt. Veranstaltungsraum ist neben den Repräsentationsräumen des Klosters eine frei geformte, mit rot gestrichener Brettschalung verkleidete und mit transluzenter Folie gedeckte Holzkonstruktion. Durch die ebenfalls transluzente Wärmedämmung fällt das Licht zwischen den Brettern in den Raum. Mit fast Nichts an baulichem Aufwand wird eine räumlich faszinierende Atmosphäre geschaffen. Die geistige Wirkung über die bauliche Herstellung, und die offensive Nutzung funktionaler Ungereimtheiten bewirkt den sympathischen Charakter einer Architektur.